365 days of Blogging #68
Es war einmal eine Journalistin, die in den Nationalpark Hainich reisen wollte. Ohne Landkarte und Ortskenntnisse. Sie verließ sich ausschließlich auf die moderne Technik und hatte dann keinen Empfang…
Vor einigen Wochen erhielt ich eine Einladung zu einer Pressereise nach Thüringen. In den Nationalpark Hainich, einem von vierzehn Nationalparks in Deutschland.
Man muß gar nicht zu den großen Nationalparks dieser Welt reisen, um Naturerlebnisse der besonderen Art zu finden.
Anreise mit Puffbohne
Meine
Reise nach Thüringen zum Nationalpark Hainich beginnt für mich mit einem Imbiss
im Auto. Ihr kennt doch diesen plötzlichen Hunger, der einen gerade dann
überfällt, wenn die Reise erst begonnen hat? Dem es völlig egal ist, daß die
letzte Mahlzeit gerade mal fünf Minuten her war?
Die Fahrt verläuft recht zügig, ich muß nur einmal anhalten. Meine Familie
weiß, weshalb: „Mama, warum müssen wir eigentlich immer nur deinetwegen anhalten? Wir
müssen nie aufs Klo!“
Ach was soll’s, ohne schwache Blase hätte ich nie diese wunderhübsche Pflanze gesehen. Sie steht mit ihren fleischigen Blättern und violetten Blüten auf der riesigen Fläche vor mir. Meine Internetblase ist zunächst ebenso ratlos wie ich, bis der Tipp mit der Erfurter Puffbohne kommt. Daß dieser nur zum Teil ernst gemeint ist, erfahre ich nach weiterer Recherche.
Ich hätte so schön pünktlich ankommen können, fahre aber leider zum falschen Eingang des Nationalparks. Da das Taschentelefon keinen Empfang meldet, kann ich weder den Telefonjoker ziehen, noch googlen. Trotzdem lande ich nach einer Weile dort, wo ich hin soll.
Ankunft und erster Workshop
Vor
Ort beziehe ich mein Zimmer im Waldresort Hainich Haus No. 20 und wechsle zwei
Worte mit Diana, meiner Mitbewohnerin, die kurz
zuvor aus Jena angereist ist.
Bevor jemand fragt: Die Häuser im Resort sind top ausgestattet. Ich habe auch
nur einen einzigen Kritikpunkt: Die Zahnputzbecher und die kleinen Gummibärchen
als Betthupferl sind in Plastik verpackt. Vielleicht stellt man einfach normale
Trinkgläser ins Bad? Und ja, es ist ein Zeichen von Gastfreundschaft, wenn der
Gast etwas aufs Kopfkissen bekommt. Aber vielleicht gibt es auch etwas ohne
Plastik?
Schnell noch eine Tasse Kaffee inhaliert und schon beginnt das Programm:
Der
erste Programmpunkt lautet „Workshop Professionelle Videos mit
Smartphone“ und ich bin wirklich sehr gespannt. Ich lerne jetzt nicht
nur die anderen Teilnehmer der Reise kennen, sondern will endlich mal meine
Fähigkeiten zum Thema Videodreh aufpolieren.
Leider ist die ursprüngliche Referentin verhindert und schickt Ersatz. Der
Referent erweist sich als Profi in der Videodreh-Theorie. Leider geht er nur
wenig auf die Verwendung des Smartphones dabei ein. Das ist ein wenig schade,
nimmt mir aber nicht die Freude an dieser Reise in die faszinierende Natur.
Der Nationalpark stellt sich vor – theoretisch
Im Anschluß weist uns der stellvertretende Nationalparkleiter Rüdiger Biehl in die Besonderheiten des Weltnaturerbes ein. Der Nationalpark Hainich existiert seit seinem Gründungstag am 31. Dezember 1997. Als 13. Nationalpark Deutschlands entstand er auf den Flächen eines sowjetischen Truppenübungsplatzes. Der 7500 Hektar große Park hat als oberstes Ziel den Schutz des heimischen Buchenwaldes. Nirgendwo in der Bundesrepublik ist so viel zusammenhängender Buchenwald erhalten wie im Hainich. Das war der UNESCO die Aufnahme in die Reihe der schützenswerten Weltnaturerbe wert.
Besonders spannend an seinen Ausführungen: In letzter Zeit wurden nicht nur die heimischen Wildkatzen gesichtet, sondern die Fotofallen erwischten auch einen Luchs, der den Hainich als sogenannten Trittstein benutzt hat. Also mal vorbeigekommen ist und dann weiterzog.
Geselliges
Das
Abendessen ist extrem lecker. Ich habe zum ersten Mal geräuchertes Gemüse auf
dem Teller und bin begeistert. Ich finde zwar nicht, daß die Karotte wie
Räucherlachs schmeckt, aber das muß sie für mich auch gar nicht. Hauptsache
lecker.
Die Tischgespräche: „Was machst du beruflich? Woher kommst du? Bloggst du?“ und
das eine oder andere tiefergehende Gespräch runden den Abend ab.
Diana und ich führen, zurück im Ferienhaus, unser Gespräch noch fort. Bis wir
dann kurz vor Mitternacht ziemlich K.O. in unsere weichen Betten fallen.
Waldbaden mit allen Sinnen
Wer an einem Samstag um acht Uhr zum Frühstück bittet, hat einen straffen Tag geplant. Unsere Aktivitäten sind von 8.45 Uhr bis 22.15 Uhr angesetzt, schließlich soll eine Pressereise nicht mit einem Urlaub verwechselt werden. Wir sollen in möglichst kurzer Zeit all die Dinge erleben, für die normale Touristen mehrere Tage lang unterwegs wären.
Das Frühstück ist grandios und ich esse mehr oder weniger auf Vorrat. Schließlich weiß ich ja nicht, wann sich die nächste Mahlzeit bietet?
Der erste Programmpunkt des Tages läßt mich ein wenig schmunzeln: Wir sollen mit einem Waldbademeister zum Waldbaden. Was sollte das denn bitteschön sein?
Da einige Mitreisende bereits Erfahrungen im Waldbaden hatten, höre ich leicht spöttische Bemerkungen zum Thema. Die Reisegruppe ist überhaupt sehr interessant: Manch einer, der beim ersten Treffen eher zugeknöpft und reserviert wirkte, stellt sich am Ende als Persönlichkeit mit äußerst schwarzem Humor heraus. Wie war das noch mit dem ersten Eindruck und den Schubladen, in die man Menschen viel zu schnell steckt?
Hatte ich in Punkto Waldbaden viel Esoterik und Waldumarmungen erwartet, bekomme ich statt dessen gute Gespräche, ein wenig Achtsamkeit und viel Wissen über den Nationalpark.
Der Waldbademeister, Jürgen Dawo hat die Hainich-ShinrinYoku Methode – Waldbaden entwickelt, nachdem er selbst vom Burnout betroffen war. Vor zwei Jahren hat er schließlich das Hainich Waldresort eröffnet.
Das Waldbaden an sich ist mehr als ein achtsamer Spaziergang. Der Badegast soll zur Ruhe kommen, zu sich selbst finden, das Gedankenkarussell stoppen und bewusst in der Natur unterwegs sein und über diese etwas lernen.
Deswegen weiß ich jetzt, wie eine Elsbeere aussieht. Bisher kannte ich nur das Holz dieses Baumes, der übrigens auch in meiner Heimat Franken zu Hause ist.
Nach dem Mittagessen ist eine Stunde Pause. Zeit fürs Lesen von Mails oder Schreiben von Texten, ich bleibe lieber einfach auf dem Bett liegen und lassen die Stille auf mich wirken. Damit tanke ich Kraft für das weitere Programm.
Bloggerkollegin Nadine Ormo war Anfang Mai im Hainich und hat Ihre Eindrücke auf ihrem Blog geteilt. Spoiler: Es lag noch Schnee zwischen den Maiglöckchen…
Elektrisch durch den Nationalpark Hainich
Am Nachmittag setzen wir auf E-Bikes unsere Entdeckungstour durch den Hainich fort. Während manche mit der Technik kämpfen, radeln andere wie aufgezogen durch die wunderbare Natur. Allen voran Nationalparkleiter Manfred Großmann, der zu beinahe jedem Stein eine Geschichte parat hatte.
Verschiedene Zielpunkte
Dank der E-Bikes sind wir recht schnell unterwegs und können verschiedene Highlights im Park anfahren. Unter anderem die Eiserne Hand, das Naturdenkmal Betteleiche und etwas versteckt das Ihlefelder Kreuz, das an einen von einem Bären niedergestreckten Jäger erinnert.
Beim Betreten der Ruine auf dem Ihlefeld habe ich ein etwas mulmiges Gefühl. Weil die Nationale Volksarmee (NVA) der früheren DDR den Schießplatz Weberstedt ausbauen wollte, musste 1964 das Ihlefeld geräumt werden und ein Abbruchkommando ebnete die Gebäude von Siedlung Ihlefeld und Vorwerk Reckenbühl ein.
Aus und Weiterbildung für jeden
Ein interessanter Zwischenhalt ist die Umweltbildungsstation UBIS, an der Kinder und Jugendliche die Natur erleben können. Die ehemalige Militärgarage der hier stationierten Truppen wurde von Nationalpark-Mitarbeitern umgebaut und gestaltet. Mit viel Naturmaterialen und Hainichholz haben sie zum Beispiel eine Holzempore mit integriertem Wildkatzenlabyrinth gebaut: Hier macht Lernen echt Spaß.
Nachhaltig Reisen im Hainich
Selbstverständlich ist der gesamte Nationalpark Hainich autofrei. Wer hier unterwegs ist, darf sich zu Fuß oder mit dem Drahtesel fortbewegen. Für größere Strecken ist das E-Bike ein guter fahrbarer Untersatz.
Doch nicht nur die Fortbewegung im Park, auch bei der Anreise in den Hainich lassen sich Ressourcen schonen gestalten: Ein Wanderbus verbindet den Bahnhof in Eisenach mit dem Nationalpark.
Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe des Hainichs gibt es eine ganze Menge. Neben dem bereits erwähnten Resort gibt es unter anderem auch eine Jugendherberge. Auf unserem Rundweg durch den Park kommen wir an der Jugendherberge Lauterbach und dem Urwald-Life Camp vorbei. Der Herbergsleiter Dr. Volker Harting führt uns über das Gelände mit seiner schweren Geschichte:
In
den dreißiger Jahren entstand hier nach dem Vorbild des Segelsportzentrums auf
der Wasserkuppe in der Rhön eine Segelflugschule. Der Segelflug wurde deshalb
forciert, weil der Versailler Vertrag Deutschland den Aufbau einer Luftwaffe
verboten hatte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren zunächst Flüchtlinge im Flugzeughangar
untergebracht. In den siebziger Jahren war hier ein Teil der Grenztruppen der
DDR stationiert.
Nach der Wiedervereinigung wurde der Komplex Jugendherberge.
Leiter Dr. Volker Harting ist ein Mann der Innovation: Seit 2006 können die
Gäste in Baumhäusern übernachten, seine Gebäude heizt er mit Hackschnitzeln aus
Abfällen einer lokalen Firma, der Strom wird selbst erzeugt.
Die Gäste können in normalen Zimmer nächtigen, auf dem Campingplatz, im Tipi
oder Baumhaus.
Für die Sinne: Baumkronenpfad Nationalpark Hainich
Nach einer leckeren Brotzeit fahren wir im beginnenden Sonnenuntergang in Richtung des Baumkronenpfades. Schon von unten habe ich einen fantastischen Blick auf den Aussichtsturm der aus verschiedenen Perspektiven hübsch anzusehen ist.
Wir
klettern die unzähligen Stufen bis zum eigentlichen Baumkronenpfad und genießen
die Abendstimmung in den Wipfeln des Hainich.
Als extra Höhepunkt kamen wir in den Genuß einer Klangschalenmeditation von Christiane Schweizer – Luchtenberg, die den Baumkronenpfad als
perfekte Ergänzung für ihre Meditation entdeckt hat.
Ich muß nicht erwähnen, daß ich während der Meditation dringend mal für kleine Mädchen mußte. Die Warnung, daß diese Art der Klänge unsere Körperflüssigkeiten in Wallung bringen würden, hätte ich ernster nehmen sollen.
Zum Abschluß wandern wir im Dunkeln zurück zur Unterkunft. Ich bin froh, dass unser ortskundiger Führer dafür sorgt, dass sich niemand verläuft
Wildkatzendorf Hütscheroda
Am
letzten Tag der Reise begeben wir uns auf die Spuren der Wildkatzen. Diese sind
so scheue Tiere, dass sie in freier Natur kaum zu beobachten sind.
Erst 1934 wurden die seltenen Tiere unter Schutz gestellt, glücklicherweise ist
seitdem die Population wieder angestiegen.
Bis 1995 das Umweltministerium den Auftrag zur Forschung erteilte, war das
tatsächliche Wissen über die Wildkatzen sehr gering. Die Tiere bekamen Sender
um den Hals und an verschiedenen Stationen wurden ihre Haare gesammelt. Dadurch
stellten die Forscher fest, dass der Fortbestand der Wildkatzen bedroht war:
Autobahnen zerschnitten ihre Lebensräume und hinderten sie am Wandern. Extra
zur Querung wurde ein grüner Korridor angelegt und schon drei Jahre nach dessen
Eröffnung benutzten ihn die Wildkatzen regelmäßig.
Wir wandern den 7 km langen Rundwanderweg Wildkatzenpfad entlang, der mitten durch das Revier der Wildkatzen führt. Auf dem sogenannten „Generalshügel“ besteigen wir den Aussichtsturm Hainichblick mit seiner beeindruckenden Rundumsicht. Wir lassen den Blick über die Natur- und Kulturlandschaft zum Thüringer Wald, zur Rhön und bis ins Werratal schweifen. Am Horizont sehen wir ein seltenes Schwarzstorch-Pärchen fliegen.
In der Wildkatzenscheune, erklärt uns ein Ranger die interaktive Ausstellung, bei der Groß und Klein viel über die wilden Tiere lernen können.
Draußen im Wildkatzendorf sehen wir zu, wie die Wildkatzen gefüttert werden. Das ist auch für den Pfleger nicht ganz ungefährlich: Die Katzen machen kaum einen Unterschied zwischen ihrer Beute und den Menschenfingern, die ihnen die Beute entgegenhalten.
Grundsätzlich sieht die Wildkatze einer getigerten Hauskatze recht ähnlich. Sie hat jedoch eine etwas verwaschene Fellzeichnung und einen etwas buschigeren Schwanz als der Stubentiger. (noch mehr Wildkatzenbilder aus dem Wildkatzendorf haben Anke und Sylvia auf ihren Blogs.)
Zum Abschluß der Pressereise essen wir noch gemeinsam zu Mittag im Hotel zum Herrenhaus.
Danach geht es schon wiede zurück nach Hause.
Disclaimer: Pressereise bedeutet in diesem Fall: Die Anreise habe ich selbst bezahlt, Unterkunft und Verpflegung wurden von Nationalpark Hainich übernommen.
Trackbacks / Pingbacks