Wenn ich mich auf die Reise begebe, dann auch deshalb, weil ich es liebe Dinge zu entdecken. Besondere Landschaften, vielfältige Natur. Flüsse, die ich durchwaten, Berge die ich besteigen und Aussichten, die ich genießen kann.
Kommt noch die richtige Prise Kultur und der Blick auf die Menschen dahinter dazu, ist das Erlebnis mit allen Sinnen perfekt.
Diese Mischung der Sinneseindrücke ist im Allgäu sehr gut abgeschmeckt: Berge, Flüsse und Seen, alte Städte und Menschen, die Besonderes mit den Händen machen: Lebensmittel mit ihren Kochkünsten in luxuriöse Mahlzeiten verwandeln, mit Mehl, Butter und Eier den Geschmack der Kindheit herbeibacken, Hüte kreieren, mit denen man sich fast geadelt fühlt oder Glas so zu bearbeiten, daß sich der Blick in feinsten Mustern fängt.
Eine jahrhundertealte Handwerkskunst: Das Hutmachen.
Die dreitägige Reise zu den in vielerlei Hinsicht schönsten Plätzen des Allgäus beginnt unsere kleine, feine Gruppe in Lindenberg im Kesselhaus der ehemaligen Hutfabrik.
Bis 1997 wurde hier der Dampf erzeugt, der für die Hutherstellung gebraucht wurde. Der Dampf erkaltete, weil das Interesse der Menschen an der Hutmode erloschen ist. Glücklicherweise zog 2014 das Deutsche Hutmuseum in das Fabrikgebäude ein, um die für die Stadt so wertvolle 300 Jahre alte Geschichte des Hutes warm zu halten.
Hier kann man den Werdegang des Hutes im Allgäu anfassen, erleben und die Hutmode längst vergangener Zeit an sich selbst ausprobieren.
Beim Rundgang durch die Dauerausstellung wird schnell klar: Ohne die menschliche Arbeitskraft,t ohne menschliches Handwerk hätte der Siegeszug des Hutes von Lindenberg hinaus in die Welt nicht funktionieren können. Man kann viel automatisieren, nicht aber beim Hutmachen.
Im Hutmuseum erleben wir die Geschichte von fleißigen HeimarbeiterInnen, mutigen Huthändlern und mächtigen Fabrikanten, die aus dem kleinen Dorf Lindenberg ein kleines Paris der Hutmode gemacht haben.
Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden Hüte aus dem Stroh der umliegenden Felder hergestellt. Den Durchbruch erreichten die Lindenberger erst mit dem technischen Wissen, das Pferdehändler aus Italien ins Allgäu mitgebracht hatten.
Ab 1755 begann man den Verkauf der Hüte zu organisieren und Herstellung und Vermarktung zu trennen.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es etwa 300 Lindenberger Familien, die in der Hutmacherei tätig waren. Die erste große Hutfabrik entstand 1835.
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte Lindenberg 34 verschiedene Unternehmen, in denen zusammen 8000000 Liter pro Jahr produziert worden. Die Hüte fanden ihre passenden Köpfe nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Südamerika.
Die letzte Hutfabrik schloß im Jahr 2010 ihre Tore, nachdem der Hut endgültig aus der Mode gekommen war.
Marita Prestel – Die Hutkönigin
Nach dem Rundgang durchs Museum kommt Marita Prestel die ehemalige deutsche Hutkönigin nach Lindenberg, um mit uns gemeinsam einen Hut zu garnieren. So nennt man das Verzieren des Rohlings mit Dekoelementen.
Marita Prestel ist gelernte Modistin. Ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf, den es heutzutage kaum noch gibt.
Sie führt uns in vielen kleinen Schritten vor, wie ein Filzhut in Handarbeit hergestellt wird. Aus Zeitgründen garnieren wir einen vorgefertigten Rohling nach unseren Vorstellungen.
Dabei erfahren wir, daß neben der Leidenschaft für Hutmode auch eine Leidenschaft für das Handwerk mit all seinen Herausforderungen von Nöten ist, um erfolgreiche Modistin zu sei.
Nach Theorie und Praxis in Sachen Hut ist die Gruppe bereit für Kulinarik im Hotel Waldsee. In diesem kleinen Hotel mit seinen 17 schmucken Zimmern kann man bereits seit 113 Jahren entspannt gut essen und schlafen.
Wir fangen erst mal mit dem Essen im Restaurant Bacalau. Benannt nach dem berühmten norwegische Stockfisch. Und seine Vorliebe für Fisch und Meeresfrüchte hat der Chef des Hauses Bodo Hartmann, der ursprünglich aus Sylt stammt mit ins Allgäu gebracht.
Bereits im kurzen Gespräch mit dem Küchenchef zwischen Hauptgang und Dessert wird klar, was sein Antrieb ist: Hochwertige Zutaten zu Gaumenfreuden verarbeite.
Das ist ihm in unserem Fall auch gelungen: Das Essen war an diesem verwunschenen Ort fantastisch. Ebenso wie der Schlaf in meinem sehr bequem eingerichteten Zimmer.
Am nächsten Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück, stand die -angeblich- älteste Stadt Deutschlands auf dem Plan. Angeblich, weil die Stadt mit ihren 70000 Einwohnern mit der Stadt Speyer um den Titel „älteste Stadt“ in Deutschland konkurriert. Zumindest gibt es Belege für eine Erwähnung der Stadt Kempten um 18 n.Chr.
Im Sommer war ich bereits mit dem E-Bike im Allgäu unterwegs und bekam bei flirrender Hitze eine kurze Einführung in die Stadtgeschichte. Diesen Besuch starteten wir im alten Kempten.
Die Römer errichteten eine Siedlung oberhalb der Iller, von der heute noch Überreste und rekonstruierte Teile zu sehen sind. Im Archäologischen Park Campodonum gibt es viel zu entdecken. Nachbauten von Tempeln oder ein Mühlstein, der Körner mahlt, mit denen Kinder dann Brot nach römischem Rezept backen können.
Wer noch mehr römische Geschichte live erleben möchte, kann sich alle zwei Jahre Theateraufführungen beim Römerfest anschauen.
Die alte Siedlung Cambodunum hinter uns lassend wandern wir hinunter in den neueren Teil der Stadt. Unser erstes Ziel ist die ehemalige Erasmuskapelle unterhalb des St. Mang Platzes.
Geht man vom Eingang der Kapelle die 23 Stufen hinab in den Schauraum, kann man sprechende Mauern erleben.
Die alten Steine erzählen von nahezu 800 Jahre wechselvoller und schmerzhafter Geschichte vom Beinhaus zu Kapelle St. Erasmus von der Kapelle zur Trinkstube vom Weinkeller zum Schützengraben von der Ruine zum Schauraum, wie er jetzt ist. Die Kapelle kann man nur im Rahmen einer Führung besichtigen.
Zurück oben auf dem Platz werfen wir noch einen Blick in die gotische St. Mang Kirche, deren Vorplatz ein Jugendstilbrunnen mit Phantasietieren schmückt.
Auf unserem Weg durch die Stadt haben wir eine Stadtführerin dabei, die uns immer wieder auf verschiedene Highlights Hinweis, die ich ohne sie mit Sicherheit nicht entdeckt hätte.
Backen als Handwerk – Zurück zu Omas Rezepten
Nach leckeren Käsespätzle begeben wir uns in die Backstube der Zwei Schwestern Moni und Elisabeth, um gemeinsam Omas Schätzchen zu backen.
Die beiden Schwestern backen von klein auf zusammen und haben sich mit der Backstube und den Backkursen einen Traum erfüllt: nämlich Menschen, die noch nie gebacken haben schnelle Erfolge beim Backen zu bescheren. Und zwar so, daß es am Ende schmeckt wie der Kuchen und das Gebäck ihrer Omas.
Die zwei Schwestern haben ein Händchen dafür sanft zu lenken und zu beraten, so dass der Kursteilnehmer am Ende das Gefühl hat alles selbst geschafft und nebenbei noch eine Menge Tipps und Kniffe gelernt zu haben.
Und am Ende bekommt jeder sein Päckchen, um zu Hause noch einmal alle Backwaren zu verkosten.
Bodenständig gekocht und mit der Region verbunden
Nicht, daß nach dem Backnachmittag jemand von uns großen Hunger am Abend mitbrachte, dennoch waren alle gespannt auf das die Künste des Sternekochs und Markenbotschafters Christian Henze. Das Restaurant Goldenes Fässle in Kempten hat nicht nur einen Weinkeller, sondern auch ein Café mit hauseigener Pâtisserie und ein Bistro.
Die einfachen Dinge sollen hier -gut gemacht- Menschen Freude und Genuß bereiten.
Unsere Gaumen überzeugten sich davon, welche feinen, modernen Gerichte, die neu interpretierte, traditionelle Küche zu bieten hat. Hier gibt es definitiv kein Alltagsessen, jeder Bissen bewirkt eine Kombination aus bekannten und neuen Aromen.
Wer etwas Besonderes und doch Bodenständiges sucht, der ist hier genau richtig.
Das Essen zusammen mit der traditionell-modernen Einrichtung lädt zum längeren Verweilen ein.
Handwerk als Leidenschaft: Im Glasmacherdorf Schmidsfelden
An unserem letzten Tag im Allgäu erwartet uns ein ganz besonderer Höhepunkt: Ein Besuch im Glasmacherdorf Schmidsfelden. In diesem Dorf ist die Kunst des Glasmachens konserviert.
Die ersten Glasmacher kamen 1678 aus dem Schwarzwald hierher, die Glashütte Schmidsfelden wurde 1824 von der Glasmacherfamilie Schmid geründet. Im Jahre 1898 wurde aufgrund der fortschreitenden Industrialisierung der Glashütten in Schmidsfelden die Öfen stillgelegt.
Wir sind in der Remise mit Glasbläserin Gabriele Hummel und ihrem Mann Charly verabredet.
Gabriele Hummel fertigt seit 2005 Modeschmuck, Holz- und Floristikartikel in reiner Handarbeit an. Ihr Mann Charly hat lange begeistert nur über die Schulter geschaut und hat 2009 in der Herstellung von Glasmurmeln seine Passion gefunden und seine Fähigkeiten in der Herstellung perfektioniert, indem er Kurse bei den größten Meistern der Welt belegt hat.
Ich kann mich im Ausstellungsraum kaum sattsehen an den filigranen Kunstwerken aus Glas und kann nur erahnen, welches handwerkliche Geschick dazu notwendig ist.
Gabriele Hummel erklärt uns allen einzeln und geduldig, welche Schritte zur Herstellung einer Glasperle notwendig ist. Ich habe ein wenig Respekt vor der nötigen Fingerfertigkeit und den hohen Temperaturen des Gasbrenners. Die Augen-Handkoordination ist manchmal eine Herausforderung für mich, aber der Tipp eine Bewegung wie beim Trommeln auszuführen hilft.
Ich habe meine drei Kugeln jeweils zu einem Kettenanhänger verarbeitet, als Mitbringsel für die Mädels. Zusätzlich bekommen wir noch die Möglichkeit eine Hohlkugel für den Weihnachtsbaum zu blasen. Sieht einfacher aus, als es wirklich ist. Macht aber unglaublichen Spaß. Nicht nur die KollegInnen dabei zu beobachten, sondern auch der Selbstversuch.
Eine wunderbare Reise durchs Allgäu aus einem eher ungewöhnlichen Blickwinkel.
Wer Urlaub im eigenen (Bundes)Land machen möchte, der sei herzlich eingeladen ins Allgäu zu kommen. Egal ob Familienreise, Wellnessurlaub oder sportliche und kulturelle Schwerpunkte favorisiert werden, hier findet jeder etwas nach seinem Geschmack.
Disclaimer: Vielen Dank für die Einladung zur Pressereise durch die Allgäu GmbH und an alle Allgäuer, die uns über die Schulter schauen, ausprobieren und kosten ließen!
Trackbacks / Pingbacks