Mitte September plante ich ein Wanderwochenende mit einer Freundin im Erzgebirge. Eigentlich wollte ich mit dem Zug in die Nähe von Karlsbad anreisen und dann von der tschechischen Seite des Erzgebirges auf die deutsche Seite hinüberwandern.
Wie es immer so ist, wenn man Pläne macht, muss man flexibel bleiben, weil immer etwas dazwischen kommen kann.

Planung für das Wochenende im Erzgebirge

Zuerst hat sich bei meiner Freundin Anja terminlich was verschoben und dann hat der Wettergott sich für mehr als Regen entschieden. Und ich mich für „Mal sehen“.
Da ich aber nicht alles dem Zufall überlassen wollte, habe ich mich ein wenig im Netz belesen und dann das Regionalmanagement Erzgebirge angeschrieben und um Tipps gebeten. Was man so unternehmen kann und wo es sich nachhaltig und gemütlich wohnt. Frau Schulze-Schwarz, mein erster Erzgebirgskontakt in dieser Sache hatte viele Ideen und sogar noch Nerven, sich um meine Sonderwünsche zu kümmern.
Als es dann so weit war, startete ich voller Vorfreude in mein MicroAbenteuer.

Das NS-Zinnbergwerk Sauersack (Rolava)

An einem Freitag machte ich mich nach dem Frühstück auf den Weg in Richtung Tschechien. Bei Magda von Wanderfolk las ich von “Zauberorten” auf der tschechischen Seite des Erzgebirges und mir hatte es besonders das Zinnbergwerk zwischen den Orten Gottesgab (Boží Dar), Bergstadt Platten (Horní  Blatná) und Frühbuß (Přebuz) angetan.

Als ich ankam, goss es erst mal wie aus Eimern und ich aß erst mal meine von der großen Tochter zusammengestellte Brotbox leer, trank heißen Tee und hörte mein Hörbuch zu Ende. Als der Regen nachließ, kam auch schon wieder die Sonne und das Grün leuchtete herrlich zwischen den Ruinen.

Blick in die alte Zinngrube Rolava

Etwas merkwürdig war das Gefühl, durch eine alte Nazianlage zu laufen. Zwar gab es hier schon viele hundert Jahre Bergbau, weit vor der Einwanderung der Nazis ins Sudetenland, aber 1938 wurde dieses nach dem 1. Weltkrieg stillgelegtes Erzbergwerk wieder in Betrieb genommen. Wegen mangelnder Arbeitskräfte wurden schnell auch Kriegsgefangene aus Frankreich und der Sowjetunion unter Tage geschickt (Quelle: Bergbaufreunde Sachsen).

Das NS-Zinnbergwerk Sauersack (byvaly cinovy dul Rolava)

Die NS-Zinngrube Sauersack (byvaly cinovy dul Rolava)

Hin und wieder hielten Autos auf dem angrenzenden Parkplatz und die angekommenen Menschen liefen eine halbe Stunde durch die Wälder rund um die Grube und kamen mit Körben voller Pilze zurück. Das feuchte Wetter erhöhte offensichtlich das Pilzaufkommen ungemein. Ich fand nur welche mit roten Käppchen und weißen Punkten.

Die NS-Zinngrube Sauersack (byvaly cinovy dul Rolava) Wasserspeicher

Nach der Entdeckungstour hatte ich Lust, in ein Besucherbergwerk zu gehen. Dort kann man manchmal mit einem Aufzug in die Tiefe fahren und ein Gefühl dafür bekommen, unter welchen Bedingungen die Grubenarbeiter früher arbeiten mussten.
Also Wanderschuhe an und los.

Von Sandalen in die Wanderschuhe

Fast bis Ende Oktober konnte ich dieses Jahr Sandalen tragen. Aber zum Wandern musste ich dann doch auf die (Barfuß-) Wanderschuhe umsteigen.

Der Johannesstollen /Štola Johannes

Zum richtigen Wandern im Erzgebirge im Herbst ziehe ich sogar mal festere Schuhe an. Angekommen am “Štola Johannes” dem Johannesstollen bei Boží Dar musste ich feststellen, dass ich doch nicht so geplant unterwegs war, wie zunächst gedacht. Für eine Führung muss man sich nämlich im Vorfeld anmelden.
Da das Wetter aber plötzlich wieder super war, war ich froh, jetzt gerade nicht unter Tage zu sein, und wanderte ein bisschen den Berg oberhalb des Stollens hinauf. Zurück im Auto kam dann Plan B zum Einsatz.

Štola Johannes

Mit der Schwebebahn auf den Fichtelberg in Sachsen

Natürlich hatte ich die Rechnung ohne den Wettergott gemacht. Kaum hatte ich den Entschluss gefasst, nach Oberwiesenthal zu fahren, und irgendwie auf den Fichtelberg zu gelangen, regnete es wieder in Strömen. Was auch sonst. Wieder warte ich den schlimmsten Regen ab und gehe dann in die Talstation der Fichtelbergbahn.
Auf die Frage des Kartenverkäufers, ob ich auch wieder runter fahren möchte, musste ich erst mal nachfragen, wie lange Laufen dauern würde. Eine Stirnlampe hatte ich nämlich nicht dabei.
Ich entschied mich für den Rückweg zu Fuß und staunte nicht schlecht, als der Kartenverkäufer zum Schwebebahnfahrer wurde. Während der knapp vierminütigen Fahrt erklärte er mir exklusiv (ich war der einzige Fahrgast), was ich rechts und links der Strecke unter mir sehen konnte. Unter anderem die berühmten Sprungschanzen für die Skispringer.

Mit der Schwebebahn auf den Fichtelberg in Sachsen

Die Fichtelberg Schwebebahn überwindet auf einer Länge von 1175 Metern eine Höhe von 303 Metern. Und das seit dem Jahr 1924. Der Bau verlief damal nicht ganz so problemlos, wie erhofft: 70.000 Reichsmark wurden für den Bau veranschlagt, am Ende kostete das ganze Projekt 354.000 RM. Zu allem Übel war die Konstruktion nicht sehr haltbar und in den darauf folgenden Jahren musste nachgebessert werden.

Hotel auf dem Fichtelberg in sachsen
Die wenigen Minuten der Bergfahrt hatte ich eine gute Rundumsicht, aber sobald ich die Gondel verließ, erwischte mich eine Böe nach der anderen. Gefühlt regnete es quer. Und trotzdem hatte die Aussicht ins Tal was. Auf der einen Seite des Gipfels zumindest.
Da ich ja zum Wandern ins Erzgebirge gekommen war, wollte ich wenigstens zu Fuß vom Fichtelberg wieder absteigen. Und tada! Plötzlich kam die Sonne wieder heraus und die Regenjacke konnte einpacken. Der Abstieg war streckenweise etwas steiler, aber immer mit Sonnenschein im Rücken. An der Talstation angekommen konnte ich noch einmal die Schwebebahn von unten sehen.

Gemütliche Wanderung den Fichtelberg hinunter

 

Einmal quer durchs Erzgebirge

Ich gebe es zu, ich habe ein bisschen Schwierigkeiten, Entfernungen einzuschätzen, und mich zu orientieren. So kommt es dann auch, dass ich nach meiner kleinen Wanderung noch ein paar Kilometerfahren muss, um zu meiner gebuchten Unterkunft zu gelangen. Entfernungen im Erzgebirge sind noch mal ganz anders, als in anderen Regionen: Was kurz auf der Karte aussieht, kann sich ganz schön ziehen.

Und dass es sofort wieder anfing zu regnen, als ich wieder in Oberwiesenthal angekommen war, versteht sich von selbst oder? Dafür wurde ich aber in Bärenfels wieder entschädigt. Ein netter kleiner Ort, von dem aus tolle Wanderungen möglich sind. Die muss ich zu einem anderen Zeitpunkt nachholen.
Das Naturhotel dort wurde mir wärmstens empfohlen und ich war froh, noch ein Zimmer bekommen zu haben.

Naturhotel Bärenfels Erzgebirge

Ich musste sehr schmunzeln, weil es offensichtlich total ungewöhnlich ist, als Frau alleine zu reisen. Beim Einchecken wurde ich gefragt, mit wem ich denn reisen würde und das Formular, dass ich ausfüllen musste, fragte nach de, “Ehegatten”.
Als ich am nächsten Morgen alleine zum Frühstück kam, fragte mich der Chef des Hauses, zu wem ich denn gehören würde. Und auf meine Antwort hin folgte ein “Ach SIE sind die Alleinreisende”.
Abgesehen von den Schmunzelmomenten war der Aufenthalt sehr angenehm. Das Essen lecker und der Service sehr zuvorkommend. Für mich persönlich muss ich mich erst noch daran gewöhnen, alleine zu Abend zu essen. Es liegt nicht an der Tatsache alleine zu essen, sondern eher daran, dass es sich seltsam anfühlt sich ein Essen nur für sich zu gönnen. Aber je öfter man das gemacht hat, desto leichter sollte es einem fallen.

Frühstück im Naturhote Bärenfels Erzgebirge

 

Und wieder zurück

Man mag es kaum glauben, aber am nächsten Morgen, kaum im Auto begann es mal wieder zu regnen und das Erzgebirge zeigte sich von seiner grummeligsten und grausten Seite. Als Anja aus meiner Heimat wegzog, um in ihre alte Heimat zurückzukehren, da war ich schon ein wenig sauer auf ihr Erzgebirge. Hier in Franken ist es doch auch schön! Doch mittlerweile habe ich meinen Blick auf die Dinge etwas geändert.
Ich kann nachvollziehen, was die Menschen ins Erzgebirge zieht und Auswanderer auch wieder zurückzieht: Sie wissen, was sie aneinander haben. Während meiner Recherchen zu dieser kleinen Reise hatte ich sehr viel Austausch und kein einziger war irgendwie negativ. Im Gegenteil. Die Menschen dort sind sehr herzlich und gastfreundlich.

Von Bärenfels nach Rittersgrün zur Maxhütte

Anja ist nicht einfach so zurück ins Erzgebirge gegangen, sie hat sich dort auch gleich einen lang im Herzen bewegten Traum erfüllt: Eine Pension für alle Menschen, die ihre Liebe zum Erzgebirge und seiner Natur teilen. In einem Interview sagte sie einmal “Je globaler die Welt wird, desto mehr Sehnsucht spüren die Menschen nach Ruhe und Ursprünglichkeit” und genau das findet man in ihrer Maxhütte. Ich kann das gar nicht anders beschreiben als: Reinkommen und wohlfühlen. Das muss man einfach selbst gespürt haben. Seit Kurzem kann man auch noch viel ursprünglicher bei Anja übernachten: in einem riesengroßen Tipi, das für Gäste ganz kuschelig eingerichtet ist.

Maxhütte Erzgebirge

Ich wäre auch gerne geblieben, aber nach einem Kaffee musste ich Anja ins Auto packen und sie von ihrem Arbeitsplatz entführen. Sie sollte zur Abwechslung selbst einmal Gast sein dürfen.

Zunächst haben wir ein bisschen Chemnitz unsicher gemacht und eine ziemlich leckere Phở (vietnamesische Reisnudelsuppe) gegessen, deren Schärfe mir die Tränen in die Augen trieb. Dann Buchladen und einen neuen Laden besucht, der nachhaltig hergestellte Dinge verkauft. Dazwischen viel gequatscht und gelacht.

Sportgaststätte Leukersdorf – Übernachten im Überseecontainer

Gegen Abend kam lustigerweise die Sonne dann noch mal raus, sind wir wieder ein Stück weiter ins Erzgebirge reingefahren, nach Leukersdorf. Dort gab es dann nämlich die Übernachtungsüberraschung: In Leukersdorf kann man in Überseecontainern, die zu Gästezimmer ausgebaut sind übernachten. Die Idee fand ich gerade in Bezug auf Aus- und Rückwanderung sehr charmant.

Sportgaststädte Leukersdorf - Esssen

Vor dem Schlafengehen haben wir noch die Küche von Claudia Lappöhn in der Sportgaststätte ausprobiert. Der Name ist Understatement auf höchstem Niveau. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen hier einen Tisch zu reservieren, hätte ich nicht im Vorfeld recherchiert. Wer mehr über die Geschichte der Chefköchin lesen will, erfährt hier, “wovon die Seele sich nährt”.
Nun kann man ja viele nette Dinge über sich selbst ins Internet schreiben, z.B. wie toll man mit seinen Angestellten umgeht. Hier fühlt es sich zumindest so an, als sei es wahr. Während unseres Aufenthaltes waren zwei Klassentreffen und eine Hochzeit in den anderen Räumen und trotzdem waren alle sehr zuvorkommend und auch zu Späßen aufgelegt. Einer der Kellner erzählte, wie manchmal die ganze Belegschaft und deren Familien zusammensitzen, um gemeinsam große Feierlichkeiten vorzubereiten. “Dieses Wir-Gefühl mag ich hier!” verriet er uns.

 

Sportgaststätte Leukersdorf Übernachtung

 

Als wir dann in unseren Betten lagen, quatschten wir noch bis weit nach Mitternacht, deshalb wachten wir auch etwas später am nächsten Morgen auf. Es hatte in der Nacht gewittert und – na?- geregnet.
Nach dem Frühstück kurvten wir ein bisschen durch verschiedene Baustellen und Umleitungen in Annaberg, bis wir schließlich nach Crottendorf fuhren, um uns eine charakteristische Figur im Erzgebirge anzuschauen, das Rächermandl.

 

Crottendorf und die Räuchermännchen

Das Räucherkerzendorf ist ziemlich kommerziell aufgemacht – ist ja auch eine Art Werksverkauf. Im Sommer gibt es einen Spielplatz und ein Café mit Blick auf Selbigen. Ich fand die übergroße Räucherkerze toll, die in ihrem Inneren eine Art Werksmuseum beherbergt. Wer das Schild lesen möchte über Freya Graupner, die die Räucherkerzen so erfolgreich machte, kann das hier tun.

Das war auch schon das Ende meiner Reise durchs Erzgebirge. Aber eins ist sicher, ich komme bald wieder!