Vor ein paar Wochen lag ich im Bett und trank meinen Geburtstagskaffee. Es hatte zum ersten Mal geschneit und die Sonne schien. Meine Familie bereitete das Frühstück zu und ich gönnte mir den Luxus noch etwas liegen zu bleiben.
Und plötzlich fühlte ich mich unglaublich gesegnet. Mit Eltern, Geschwistern, Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen, die mich immer liebevoll auf meinem Lebensweg begleitet haben. Mit einem Netzwerk an Freunden, das mich stets trägt. Mit einem Mann, der seit über siebzehn Jahren mit mir durch dick und dünn geht und mich liebt, so wie ich bin. Und natürlich mit drei wundervollen Kindern, denen ich all das mitgeben kann, was mir für ihr Leben wichtig erscheint. Dinge wie Werte innerhalb einer Gemeinschaft, den Glauben an sich selbst oder nachhaltiges Leben.

Wenigen Menschen auf der Welt geht es so gut wie uns!

Hier könnte die Geschichte schon zu Ende sein. Ich könnte noch von meinen Geschenken erzählen, die ich bekam und den Geburtstagskuchen zeigen. Ist aber völlig belanglos denn:
Irgendwie fühlte es sich auch ungerecht an. Denn was ist mit den vielen Menschen, denen es nicht so gut geht. Was ist mit den Kindern, die ohne elterliche Zuwendung aufwachsen müssen?
Die Dankbarkeit blieb natürlich. Aber dieses Schuldgefühl werde ich nicht los.
Dann las ich vor wenigen Tagen diesen Satz:

Niemand kann beeinflussen, wann und wo wir hineingeboren werden […] Schämen muss ich mich nicht, dass ich lebe, wie ich lebe.
Schämen muss ich mich nur dann, wenn ich von all diesen Dingen weiß, und nichts tue.”

Leonie Lutz, Journalistin und Bloggerin

Leonie Lutz, Journalistin und Bloggerin für Minimenschlein  ist oft dem Vorwurf ausgesetzt, sie lebe ein hochglanz Lifestyleleben schrieb diesen Satz in einem Artikel über ihre Reise nach Kambodscha.
Ich verfolgte diese Reise auf Instagram, wo Leonie täglich darüber berichtete. Ein Satz hat mich besonders berührt, aber dazu komme ich später noch.

Die Reise nach Kambodscha wurde vom Spieleverlag Amigo, und der CFI Internationale Kinderhilfe organisiert. Mit dabei waren der Fußball-Freestyler  David Rau und der Sänger Tobi Vorwerk. Die Reise führte sie in das Kinderdorf Light of Hope und Leonie war als Botschafterin für CFI und als Multiplikatorin dabei.

Leonie berichtet über ihre Reise ins Kinderdorf in Kambodscha

Mich interessierten Leonies Beweggründe bei einer solchen Aktion mitzumachen. Reiselust konnte es nicht gewesen sein, denn Kambodscha ist eines der ärmsten Länder der Welt und in einem Kinderdorf kommen die Geschichten derer zusammen, denen es am schlechtesten geht: Die Lebensgeschichten der Kinder.
Im Interview beantwortet sie meine Fragen und erklärt, was die Reise mit ihr gemacht hat.

Wie lange hast Du überlegt, als Du gefragt wurdest mit nach Kambodscha zu kommen? (Und weshalb hast Du zugesagt?)

Ehrlich gesagt keine Minute. Ich musste aber natürlich noch mit meiner Familie sprechen und da wollte ich meinen Mann auch nicht komplett überfallen. Es war klar, wenn ich diese Reise antrete, muss er Urlaub nehmen, die Kids hüten und so weiter. Insofern habe ich für mich quasi sofort die Entscheidung gefällt, dass ich es machen will – mich jedoch noch mit „angezogener Handbremse“ gefreut, weil ich das Go der Familie brauchte.

Dieses erste Gefühl des „ich-will-das-unbedingt-machen“ passte gut in meine Stimmung Anfang des Jahres. Ich hatte angefangen in der Flüchtlingshilfe aktiv zu sein und wollte endlich wirklich helfen, als einfach immer „nur“ zu spenden. Und da ich Kambodscha selbst so überhaupt nicht auf dem Schirm hatte, war ich natürlich sehr gespannt auf das Kinderdorf „Light of Hope“.

Kinder, die das Glück haben im Kinderdorf aufwachsen dürfen können wieder Lachen. lachende Mädchen im Kinderdorf Light Of hope in Kambodscha

Kinder, die das Glück haben im Kinderdorf aufwachsen dürfen können wieder Lachen. Die Kinder aus dem umliegenden Dörfern haben kein Lachen mehr.

Zahnbürste, Zahnpasta, Seife und glückliche Kinder- Was bedeutet das für die Kinder in Kambodscha genau? 

Für uns sind diese drei Teile Basics. Dinge, die wir immer zuhause haben und genauso selbstverständlich nutzen wie das Wasser aus dem Hahn. In Kambodscha gibt es das alles nicht. Entsprechend groß war die Freude, als wir Zahnpasta, Zahnbürsten und Seife mitgebracht und gezeigt haben, wie man diese Dinge anwendet – und wieso überhaupt. Es war sehr ergreifend, die neugierigen Kinder zu sehen, ihre Blicke, wenn sie das erste Mal Zahnpasta schmecken und das Leuchten in den Augen, wenn sie an ihren frisch geseiften Händen riechen. Das war unbeschreiblich für mich, weil diese Kinder so glücklich waren – wegen Zahnbürste und Seife! Gleichermaßen hat es mich aber auch fassungslos und später auch wütend gemacht. Ich fühlte mich so machtlos und habe mich geschämt für mein Leben. Dann dachte ich: Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben, dass diese Kinder immer eine Zahnbürste, Zahnpasta und Seife haben! Das aber ist so schwierig, weil sie so arm sind, dass die Eltern ihren Kindern diese Basics einfach nicht kaufen können.

Zahnbürsten für Kinder in Kambodscha

“Zahnbürste, Zahnpasta, Seife und glückliche Kinder. Es ist unglaublich, mit wie wenig wir hier etwas bewirken können. Die strahlenden Gesichter, das laute Lachen der Mäuse haben mich, uns alle hier, sehr bewegt.” (Bildunterschrift von Leonie am 13. November auf Instagram)

Die Kinder, die im Kinderdorf leben, haben das Glück, dass sie hygienisch bessere Bedingungen und somit auch Zahnbürsten und Co haben, aber all die anderen, armen Kinder eben nicht.

Haben die Kinder, die im Kinderdorf aufwachsen bessere Zukunftschancen als andere kambodschanische Kinder?

Oh ja, da gibt es große Unterschiede. Das wurde mir auch ziemlich schnell vor Ort bewusst, weil nahezu alle Lehrer, die ich im Kinderdorf kennen gelernt habe, früher selbst einmal Kinder des Kinderdorfs waren. Nach der High School konnten sie in der Hauptstadt studieren und kamen zurück – um das weiterzugeben, was sie selbst gerettet hat.

Links: Ein Kindergartenkind blick neugierig in einen Klassenraum. rechts: Schüler des Kinderdorfes.

Links: Ein Kindergartenkind blick neugierig in einen Klassenraum. Rechts: Schüler des Kinderdorfes.

Aus diesem Grund sind Patenschaften für ein Kinderdorf so wichtig, weil es bedeutet, dass man ein Kind langfristig begleitet – und es somit ja auch finanziell absichert. Das Kinderdorf im Kambodscha achtet sehr darauf, die Kinder auch als junge Erwachsene so lange zu begleiten, bis sie eine reelle Chance auf ein Leben in eigener Verantwortung haben.

Bei den restlichen Kindern des Landes ist das wesentlich schwieriger. Dort ist die Armut so groß, dass sie weder Kindergarten noch Schule besuchen können. Sie kommen also nie zur Möglichkeit von Bildung. Und nicht nur das: Sie haben auch keine hohe Lebenserwartung, weil sie sehr mangelernährt sind. Kinder, die nur Reis essen und ab und zu mal eine Pflanze, die sie aus dem Boden rupfen, haben natürlich auch einen wahnsinnig hohen Proteinmangel.

Was hat Dich am nachhaltigsten berührt in den zehn Tagen Deiner Reise?

Es gab eine Menge, das mich so berührt, dass ich noch immer jeden Tag daran denke. Einmal Sherree Hughes, Australierin und Mutter dreier erwachsener Söhne, die vor sechs Jahren zum ersten Mal in Kambodscha war und seitdem dort brillante Arbeit leistet. Sie ist Leiterin des Kinderdorfs und somit für einfach alles zuständig. Sie kennt jedes Kind, jede Lebensgeschichte, jeden Lehrer – einfach alles. Sie ist mit so viel Nähe, Liebe und Leidenschaft dort tätig, das hat mich wahnsinnig beeindruckt.

Kindergartenkinder des SOS Kinderdorfes Lights of Hope in Kambodscha

Die Kinder des Kinderdorfes “Lights of Hope” in Kambodscha können Kindergarten und Schule besuchen.

Und dann sind da Geschichten, Lebensgeschichten von kleinen Kindern, die mich sehr berührt haben. Vor allem die Geschichte zweier Jungs, die erst seit kurzem im Kinderdorf sind, weil sie glücklicherweise von einem ehrenamtlichen NGO gefunden wurden. Zwei kleine Jungs, die zwei Jahre auf der Straße gelebt haben. Ohne Mama, ohne Papa, ohne Essen. Natürlich sind diese Kinder sehr traumatisiert. Und ich frage mich jeden Tag, ob und wie diese kleinen Menschen das alles jemals verarbeiten können. Es erleichtert mich zu wissen, dass sie im Kinderdorf sind und man dort sehr behutsam mit den Kinderseelen umgeht. Und ich weiß, dass Sherree und ihr Team auf sie achtgeben. Trotzdem lässt mich ihre Geschichte einfach nicht los.…

Leonie Lutz (Minimenschlein.de), Andreas Böhm (Amigo), Tobi Vorwek (Sänger), Anja (CFI Kinderhilfe)Sherree, (Leiterin Kinderdorf "Light Of Hope)

Leonie Lutz (Minimenschlein.de), Andreas Böhm (Amigo), Tobi Vorwerk (Sänger), Anja (CFI Kinderhilfe) Sherree, (Leiterin Kinderdorf “Light Of Hope) sind von der Lebensgeschichte des Schulleiters geschockt: Er und seine vier Geschwister wurden von der neuen Frau des Vaters nach dem Tod “weg gegeben”, sprich auf der Straße ausgesetzt.

Was können wir hier in Deutschland tun, um die Situation der Kinder in Kambodscha zu verbessern? Meinst Du, wir in den Industriestaaten müßten generell etwas an unserem eigenen Leben ändern?

Das Wichtigste ist, dass wir darüber sprechen. Die Erlebnisse und Geschichten in die Welt tragen und Menschen hier für Kambodscha sensibilisieren. So sehe ich auch meine Aufgabe. Ich will nicht missionieren oder hier unser aller Leben verteufeln. Ich möchte sensibilisieren und darauf aufmerksam machen, was wir hier alle mit verhältnismäßig geringem finanziellen Einsatz am anderen Ende der Welt bewirken können. Dass wir uns als Teil der Gesellschaft sehen – auch international. Dass wir vielleicht auch mal auf etwas verzichten – und lieber in eine Patenschaft investieren.

Ich glaube, das wir im Kleinen wirklich Großes bewirken können. Wir müssen uns nicht schlecht fühlen mit unserem Leben. Wir müssen uns auch nicht schämen oder ein schlechtes Gewissen haben. Das nämlich hilft auch keinem Kind. Allerdings sollten wir über den eigenen Tellerrand blicken und dort helfen, wo Politik versagt. Es geht einfach um Kinder! Kleine Kinder. Und die brauchen Hilfe.

Noch mehr zur Arbeit der CFI-Kinderhilfe und Leonies Reise

Paypalspende@cfi-kinderhilfe.de
SMS-Spende (3 Euro)
Mikrospende (2 Euro)
Spendenkonto:  CFI Kinderhilfe
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN DE19660205000008753503
BIC/Swift: BFSWDE33KRL

Was hat diese Geschichte mit Nachhaltigkeit zu tun?

Für mich hat Nachhaltigkeit sehr viel mit Menschen zu tun. Leonie setzt ihre Energien und Ressourcen nicht nur zu ihrem eigenen Vorteil ein. Sie nutzt ihre Popularität nicht nur im Fall der Kinder aus Kambodscha, sondern versucht generell Menschen, die Hilfe benötigen eine Stimme zu geben: “Ich habe immer darauf hingearbeitet, dass mein Blog so groß und relevant wird, dass ich ihn auch für gute Zwecke nutzen kann.”
Man könnte diese Art der Nachhaltigkeit auch Menschlichkeit nennen.
Danke.