Als Kind bin ich einmal vom Baum gefallen. Rückwärts. Ich wollte es meinen großen Brüdern gleichtun und im Stehen pinkeln. Hat irgendwie nicht geklappt.
Damals habe ich mir oft gewünscht ein Junge zu sein. Denn die durften bei uns auf dem Dorf all die Dinge, von denen die Leute sagten: „Sowas machen Mädchen nicht!“: Raufen und Kräfte messen, auf Bäume klettern, sich schmutzig machen, durch Wiesen und Felder streifen und einfach cool sein. Ich hatte das Glück, die jüngere Schwester von mehreren Brüdern zu sein und konnte mich oft an sie dranhängen. Meistens ohne Sonderbehandlung weil ich ein Mädchen war. Wir sind beim Nachbarn auf dem Bauernhof Traktor gefahren oder haben uns aus Stroh und Gras Zigaretten gebaut (schmeckte widerlich). Weit hinten im Garten hatten wir eine Holzhütte gebaut, in der ich auch hämmern, sägen und schrauben durfte. Und hin und wieder auch mal zündelte.
Was wäre, wenn ich ein Mann wäre, habe ich mich schon oft gefragt, bisher aber nie eine Antwort gefunden. Inka von Blickgewinkelt und Andrea von Munich’s Working Mom haben mir das Stöckchen zugeworfen und ich grübelte tagelang, was ich darauf nur antworten soll. Ich war noch nie ein Mann.
Das Blogstöckchen stammt ursprünglich vom Blog Ich mach mir die Welt und läuft unter dem Hashtag #WasAndersWäre. Tatsächlich war es ursprünglich auch an Männer mit entsprechender Fragestellung gerichtet. Ich werde das beim Weiterwerfen berücksichtigen.
Was wäre anders in deinem Leben, wenn du ein Mann wärst?
Ich hätte mich sicher nicht direkt nach dem Studium dazu verleiten lassen dem Kinderwunsch nachzugeben. Ich hätte promoviert und einen Job der mir Spaß macht und mit dem ich eine Familie ernähren könnte.
Was tust du nur deshalb, weil du eine Frau bist?
Mein berufliches Fortkommen um die Familie herum zu bauen. Ich arbeite so viel, wie (ich glaube) die Familie es zulässt. Als Mann würde ich das wohl geradliniger verfolgen und nicht Dinge unterlassen, weil ich der Meinung bin die Familie ist noch nicht so weit. Ich bin der Meinung, die Familie hängt fast nur von mir ab. Ist natürlich Quatsch, aber so bin ich wohl sozialisiert.
Welche Dinge lässt du lieber, weil du eine Frau bist?
Da ich in einer kleinen Stadt wohne kann ich sagen: Nichts. Würde ich in einer Großstadt leben, würde ich wohl einige Viertel nach Mitternacht meiden.
Und ich lasse meine Reifen wechseln. Ich bin durchaus nicht schwach und gebrechlich. Aber diesen Kraftakt lasse ich von Männern ausführen.
Durch welches Klischee fühlst du dich persönlich beeinträchtigt?
Mir ist es schon mehrmals passiert, daß Menschen davon ausgehen, daß Frauen während der Entbindung nicht nur ein Kind bekommen, sondern auch ihre Energie und vor allem ihr Hirn mit herauspressen.
Bisher war ich immer ehrlich und habe alle drei Kinder im Lebenslauf aufgeführt. Und in 90% der –natürlich inoffiziellen- Feedbacks bekam ich als Grund für die Ablehnung die Kinder. Mit dreien könne man ja gar nicht arbeiten. Da fehle doch Energie, Zeit und –der Hammer- Konzentrationsvermögen!
In welcher Situation ist es von Vorteil, zur Gruppe der Frauen zu gehören?
Eigentlich fällt mir dazu nicht viel ein. In dieser unserer Gesellschaft haben irgendwie Frauen das Nachsehen. Es sei denn, man ist Frau genug ebenfalls die Ellenbogen zu benutzen. Von staatlicher Seite darf man nicht viel erwarten. Gleichberechtigung gibt es noch lange nicht.
Gleichberechtigung nicht in dem Sinne, daß Mann und Frau in allem gleich sind. Das sind sie nämlich nicht. Ich meine Gleichberechtigung in dem Sinne, daß auf die wirklichen Fähigkeiten des Individuums eingegangen wird. Es gibt wirklich Frauen, die haben Spaß an Naturwissenschaften. Und ob man es glauben mag oder nicht auch Männer, die gerne kochen.
Mein Traum wäre z.B. das anonymisierte Bewerbungsverfahren für alle Berufe. Dann hätten alle gleiche Chancen mit gleichen Fähigkeiten.
Gibt es Situationen, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt?
Ich kann mir zumindest keine vorstellen. Zumindest nicht unter Erwachsenen. Kinder haben nicht von Anfang an die Genderbrille auf. Sie werden erst durch die Gesellschaft zu Rosa und Blau gemacht. Meine große Tochter möchte jetzt mit 9 am liebsten ein Junge sein. Sie hat erkannt, daß man da ganz andere Sachen –ohne große Diskussion- machen darf. Und sie freut sich immer, wenn Fremde sie (wegen ihrer kurzen, lockigen Haare und den blaugrünen Klamotten) für einen Jungen halten. Nichtsdestotrotz wartet sie sehnsüchtig darauf endlich weibliche Formen zu bekommen.
Nun zur Frage, an wen ich das Blogstöckchen weiterreichen möchte. Gerne würde ich auch Gedanken von Männern wie Nico – Papa mit Hut, Chris – Linsensicht und Steffen – Papapelz lesen. Wie sie sich das so vorstellen mit dem Frausein. Wäre das Leben leichter oder nur anders?
Und es wäre toll etwas über die Vorstellung von Séverine – Mama on the rocks und Anne –Anny can’t sleep zu erfahren.
Welche Gedanken sind Dir beim Lesen meines Textes durch den Kopf gegangen. Wie stellst Du Dir Dein Leben in der Rolle des anderen Geschlechts vor?
Danke für das Stöckchen, mein Beitrag ist hier:
http://www.mama-on-the-rocks.blogspot.ch/2015/06/ich-will-kein-mann-sein.html
Interessanter Gedanke mit den anonymisierten Bewerbungsunterlagen. Das wird ja auch bezüglich der Familiennamen thematisiert (als Ausländer hat man je nach Branche eher Schwierigkeiten, einen Job zu finde).
Ich habe selber schon sehr viele Bewerbungsgespräche auf der anderen Seite des Tisches geführt und schon viele Menschen eingestellt. Was ich erlebt habe: Für eine 100%-Stelle hat sich bei mir noch NIE eine Mutter beworben. Warum eigentlich nicht?! Ich persönlich habe mich bei der Auswahl der Dossiers nie leiten lassen nach Geschlecht. Es kommt auf die Qualifikation an. Allerdings stellt sich dann im Vorstellungsgespräch schnell heraus, ob die Person (egal ob Mann oder Frau) ins Team zu passen scheint. Die Krux ist es immer, das emotionale Gleichgewicht in der Gruppe aufrecht zu erhalten. Tricky! Wenn man schon viele Frauen im Team hat, kann ein Mann ausgleichend wirken. Zu viele junge Frauen im Team können Unruhe stiften, es lebe Facebook! Das klingt alles ganz furchtbar sexistisch. Aber bei allem Propagieren von Gleichberechtigung: Wir ticken im Alltag eben trotzdem verschieden (sonst würde mein Sohn nicht dezidiert nach den Lastwagen greifen und die Puppe links liegen lassen).
Was ich damit sagen will bezüglch der Auswahl von Mitarbeitern: Die Mischung macht’s. Ich persönlich finde Mitarbeiter, die ständig wegen Wehwehchen “krank” sind, viel viel schlimmer als eine Mutter. Rainer Esser, Geschäftsführer Zeitverlag, hat einmal an einem Kongress gesagt: “Stellen Sie Frauen ein, Frauen mit Kindern, die haben keine Zeit zum Rumtrödeln.” Das sehe ich genauso. Ich habe auch schon Frauen und Männer >50 J. eingestellt – auch die sind benachteiligt von der Gesellschaft! Ich weiss, vielen muss man da erst noch die Augen öffnen. Aber wir werden immer mehr!
Das ist genau das, was ich auch denke: Frauen und Männer sind nicht gleich. Wir haben auf manchen Gebieten andere Stärken. Und genau das sollte man sich doch zu Nutze nmachen!
Eine Hammer Aufgabe. Mich als Frau, das wird ein Spaß…vielleicht.
Gar nicht so einfach alles so adhoc zu beantworten, da werde ich etwas Zeit brauchen für den Text und ich muss Bilder raussuchen
Lieben Gruß
Chris
Hi Suse!
Ein Junge sein – das wollte ich nie. Ich war als Kind immer gerne Prinzessin, als Teenager fand ich es klasse, mich als Frau durchsetzen zu können. Ich war und bin eine dominate Person und könnte bis jetzt immer mein Ziel erreichen. Allerdings habe ich noch keine Kinder. Ich bin eine der weiblichen Naturwissenschaftler – in meinem Empfinden ein familienfeindliches Berufsumfeld. Ob vielleicht der Mann zu Hause bleiben kann, die ersten Jahre? Ich hoffe darauf und bin doch nicht allzu optimistisch. Oft wünsche ich mir, einen anderen Beruf gewählt zu haben, einen bei dem man mehr oder weniger problemlos in Elternzeit gehen kann. Und ich glaube als Mann würde ich mir diese Gedanken nicht machen. Dann reichen ja bestimmt 2 Monate zu Hause… Und der Arbeitgeber wäre noch weniger begeistert, falls man als Mann drei Jahre in Elternzeit gehen würde (kann man das als Mann überhaupt?).
Also in Anlehnung an deinen Post: die Kinderfrage spaltet für mich die Geschlechter. Ansonsten wäre mein Leben wahrscheinlich nicht besser oder schlechter – nur anders.
Liebe Grüße,
Larissa
Ha! herrlich….und ich stimme zu. Zu allem.
Guter “Kettenbrief”!
Ich dachte auch: spannendes Thema. Man kann ja nur mutmaßen.